Über den mathematischen "Gottesbeweis" von Kurt Gödel und dessen Widerlegung
Es gibt Menschen, die bei einer Papst-Rede von einem "Gottesbeweis" sprechen; andere ziehen die kopernikanische Wende heran, um einen "Gottesbeweis" zu vollziehen: hier wie dort lässt sich kein Gottesbeweis führen.
Der deutsche Philosoph Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 - 1716) versuchte den ontologischen Gottesbeweis (Schluss von der logisch-begrifflichen Ebene zur Ebene des Seins) resp. den kosmologischen Gottesbeweis (das Universum müsse eine Ursache außerhalb seiner selbst haben) zu führen; dieser "Gottesbeweis" gilt als gescheitert und wurde schon von Voltaire in dem Roman Candid und in der Erzählung Mikromegas ironisch karikiert.
Thomas von Aquin kritisierte den ontologischen Gottesbeweis im 13. Jahrhundert damit, dass der Mensch das Wesen Gottes mit seinem menschlichen Verstand gar nicht ergreifen könne. Das ist das Totschlagargument der Kirche bis heute.
Alle Gottesbeweise sind gescheitert; der ontologische Gottesbeweis des österreichischen Mathematikers Kurt Gödel (1906 - 1978) aus dem Jahr 1970 gilt mitunter immer noch als der einzige Gottesbeweis, der unwiderlegbar sei. Im Folgenden zunächst die narrative Übersetzung des mathematischen "Gottesbeweises" von Kurt Gödel:
Gödel unterteilt in drei Teile:
1. Ein göttliches Wesen ist möglich
2. Es gibt höchstens ein göttliches Wesen
3. Es gibt genau ein göttliches Wesen
1. Teil
Eine Eigenschaft ist positiv, wenn sie notwendigerweise eine positive Eigenschaft enthält.
Eine Eigenschaft ist entweder positiv oder negativ.
Etwas ist genau dann "göttlich", wenn es alle positiven Eigenschaften besitzt.
Göttlichkeit ist eine positive Eigenschaft.
Positive Eigenschaften sind konsistent (logisch widerspruchsfrei).
Ein göttliches Wesen ist möglich.
2. Teil
Positiv sein ist logisch und deshalb notwendig.
Eine Eigenschaft X ist genau dann wesentliche Eigenschaft von u, wenn u ein X ist und alle anderen Eigenschaften von u daraus notwendig folgen.
Damit sind alle wesentlichen Eigenschaften notwendig äquivalent.
Wenn u göttlich ist, dann ist Göttlichkeit eine wesentliche Eigenschaft von u.
Es gibt höchstens ein göttliches Wesen.
3. Teil
u existiert dann notwendigerweise, wenn alle wesentlichen Eigenschaften von u notwendig instantiiert sind (Anm.: Instantiierung: praktisch auftretende Exemplare von Objekten mit diesen Eigenschaften).
Notwendige Existenz ist eine positive Eigenschaft.
Wenn die Existenz eines göttlichen Wesens möglich ist, dann ist sie auch notwendig.
Wenn es eine log. Tatsache ist, dass B wahr ist, wenn A wahr ist und A in jeder der möglichen Welten wahr ist, dann ist auch B in allen möglichen Welten wahr.
Positive Eigenschaften sind logisch widerspruchsfrei.
Wenn u göttlich ist, dann ist Göttlichkeit eine wesentliche Eigenschaft von u.
Wenn die Existenz eines göttlichen Wesens möglich ist, dann ist sie auch notwendig.
Es gibt notwendig genau ein göttliches Wesen.
Bei Leibniz ist der Gottesbeweis nicht durchführbar, ohne dass man sich irgendwo widerspricht. Bei Gödel gibt es kein formales System, das absolut widerspruchsfrei ist.
Beispiel: "Wenn wir etwas Heißes anfassen, verbrennen wir uns die Finger. Daraus können wir schließen: Wenn wir etwas Heißes anfassen können, können wir uns die Finger verbrennen."
Gödel formuliert nun: "Wenn es möglich ist, dass Gott existiert, dann ist es möglich, dass Gott notwendig existiert. Wenn Gott aber in irgendeiner Welt notwendig existiert, existiert er in allen möglichen Welten, auch in unserer."
"Wenn Gott aber in irgendeiner Welt notwendig existiert": Gott existiert in überhaupt keiner Welt und ist reine Fiktion.
Gödel setzt die Existenz der positiven Eigenschaften voraus, nennt allerdings keine Beispiele; und Gödel schließt aus Gottes möglicher Existenz auf seine notwendige: "Wenn die Existenz eines göttlichen Wesens möglich ist, dann ist sie auch notwendig. Es gibt notwendig genau ein göttliches Wesen."
Gödel erfindet die "notwendige Existenz", um zu zeigen, dass Gott notwendig existiere, wenn seine Existenz möglich sei. Das funktioniert mit Mathematik auf dem Papier, hat aber nichts mit der Realität zu tun. Es lässt sich auf dem Papier jedes beliebige Ergebnis errechnen. Spekulative Mathematik und spekulative Philosophie sind letztlich Spielereien mit Ergebnissen ohne Bedeutung.
Dass man einen Computer Gödels "Gottesbeweis" hat nachrechnen lassen, ändert in der Sache nichts. Zunächst konnte man Gödels "Gottesbeweis" nur in umgewandelter und vereinfachter Form den Computer nachrechnen lassen - dazu hätte es keines Computers bedurft, das kann ein Mathematiker, der mit der höheren Mathematik gut vertraut ist, im Kopf nachprüfen -, und Gödel sagt: "Logische Systeme sind entweder nicht hinreichend einfach, nicht vollständig oder widersprüchlich." Nichts anderes als ein unvollständiges, logisches System ist daher nicht nur sein "Gottesbeweis", sondern jedes logische System. Und ein logisches System lässt sich natürlich von einem Computer überprüfen, erhebt dabei aber nicht den Anspruch, irgendetwas Reales abzubilden. Es erscheint mehr als naheliegend, dass Prof. Dr. Kurt Gödel seinen "Gottesbeweis" als höherstufig-modallogische Übung betrachtete, als "Gottesbeweis" an sich aber in keinster Weise ernst nahm. Und setzt man zu Beginn den Satz, dass ein göttliches Wesen nicht möglich sei, annulliert sich alles Weitere von selbst.
Nachdem man einen Computer Gödels "Gottesbeweis" hatte nachrechnen lassen, entstand die Satire: Lassen sich Computer missionieren?
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